Cushing Syndrom beim Hund

Trinkt Ihr Hund deutlich mehr als früher, hat richtige Heißhungerattacken und wird immer antriebsloser? Eine der möglichen Ursachen könnte das sogenannte „Cushing-Syndrom“ sein. Da wir auch bei unseren Patienten diese Diagnose immer häufiger stellen, haben wir hier die wichtigsten Infos für Sie zusammengefasst.

Übersicht:

Begriffserklärungen

Nebenniere: Ein paarig angelegtes Organ, das neben den Nieren liegt und verschiedene Hormone (ua. Cortisol, Adrenalin/Noradrenalin, Sexualhormone) produziert.

Hirnanhangsdrüse: wird auch Hypophyse genannt und bezeichnet einen Teil des Gehirns, aus dem unter anderem ACTH freigesetzt wird.

ACTH: Abkürzung für Adrenocortikotropes Hormon. Dieses Hormon wird im Gehirn freigesetzt und reguliert die Nebennierenfunktion.

Cortisol: ist ein körpereigenes Stresshormon, und hat großen Einfluss auf verschiedene Arten des Stoffwechsels (z.B. reguliert es den Blutzuckerspiegel oder auch den Elektrolythaushalt. Außerdem hat es großen Einfluss auf das Immunsystem).

Cortison: Vorform von Cortisol – in dieser Form steht es uns als Medikament zur Verfügung. Nach der Aufnahme in den Körper wird es zu Cortisol umgebaut.

Was sind die Ursachen des Cushing-Syndroms bei Hunden?

Ausgelöst wird das Cushing-Syndrom durch eine Überfunktion der Nebennieren. Diese wird in den meisten Fällen durch einen gutartigen Tumor des Gehirns ausgelöst. In weniger häufigen Fällen befindet sich ein Tumor direkt auf der Nebenniere.

Normale Cortisol-Regulation beim gesunden Hund:

Beim gesunden Hund wird ACTH aus der Hirnanhangsdrüse freigesetzt, welches die Nebennieren zur Produktion von Cortiol anregt. Befindet sich ausreichend Cortisol im Körper, so wird dies vom Gehirn registriert und die ACTH-Produktion wieder vermindert. Solange dieses System ungestört funktioniert, wird also die Cortisolproduktion ununterbrochen überwacht und reguliert.

Abbildung 1: Normale Hirnanhangsdrüsen- und Nebennierenfunktion

Cushing-Syndrom beim Hund: Normale Hirnanhangsdrüsen- und Nebennierenfunktion

Gestörte Cortisol-Regulation durch einen Tumor auf der Hirnanhangsdrüse (zentrales Cushing Syndrom):

Cushing-Syndrom beim Hund: Gesteigerte ACTH- und Cortisol-Ausschüttung aufgrund eines Tumors in der Hirnanhangsdrüse

Bei Hunden mit einem Tumor an der Hirnanhangsdrüse setzt dieser eigenständig ACTH frei, wodurch die Nebennieren dauerhaft Cortisol produzieren. In diesem Fall funktioniert die Regulierung der Cortisol-Ausschüttung nicht, da der Tumor in der Hirnanhangsdrüse unabhängig arbeitet und die ACTH-Ausschüttung nicht bzw. kaum mehr vermindert werden kann. Diese Form des Cushings wird meist von gutartigen Tumoren verursacht.

Abbildung 2: Gesteigerte ACTH- und Cortisol-Ausschüttung aufgrund eines Tumors in der Hirnanhangsdrüse

Gestörte Cortisol-Regulation durch einen Tumor auf der Nebenniere (peripheres Cushing Syndrom):

Bei Hunden mit einem Tumor auf der Nebenniere ist dieser in der Lage, selbstständig Cortisol zu produzieren. Die ACTH-Ausschüttung aus dem Gehirn wird dann zwar vermindert, ändert an er Cortisol-Ausschüttung aber nichts, da auch dieser Tumor unabhängig arbeitet. Ca. die Hälfte der Tumore auf den Nebennieren sind als bösartig einzustufen und zeigen infiltratives Wachstum in umliegende Organstrukturen.

Abbildung 3: Gesteigerte Cortisol-Ausschüttung aufgrund eines Tumors auf der Nebenniere

Cushing-Syndrom beim Hund: Gesteigerte Cortisol-Ausschüttung aufgrund eines Tumors auf der Nebenniere

Welche Symptome zeigen Hunde mit Cushing?

Aufgrund der erhöhten Cortisolwerte im Blut steht der Hund unter Dauerstress, was häufig zu folgenden Symptomen führt:

  • Vermehrtes Trinken und vermehrter Harnabsatz
  • Lethargie, der Hund „verliert an Lebenslust“
  • Gesteigerter Appetit/Heißhungerattacken
  • Haarausfall, weniger dichtes Fell
  • Dünne, durchsichtige Haut
  • Vermehrter Bauchumfang (wird der Hund von hinten betrachtet, erscheint der Bauchumfang „birnenförmig“)
  • Muskelabbau
  • Hecheln

Bei der klinischen Untersuchung liefern all diese Symptome zwar wertvolle Hinweise, die Cushing vermuten lassen, eine sichere Diagnose ist jedoch aufgrund der vielen anderen Erkrankungen, die ähnliche Symptome auslösen können, nicht möglich.

Wie wird Cushing beim Hund diagnostiziert?

Cushing kann durch verschiedene Untersuchungen von Blut und Harn, aber auch mithilfe von bildgebenden Verfahren festgestellt werden. Dabei werden oft folgende Befunde erhoben:

Routine-Untersuchungen von Harn und Blut

Harnuntersuchung: Aufgrund des vermehrten Trinkens ist der Harn nicht mehr richtig konzentriert. Häufig können auch erhöhte Eiweißwerte nachgewiesen werden.

Blutuntersuchung: Bei einer RoutineBlutuntersuchung stellen sie die meisten Werte normal dar.Gibt es Auffälligkeiten, so sind diese sehr unspezifisch. Häufig sieht man ein sogenanntes „Stressleukogramm“ (typische Veränderungen der Anzahl der weißen Blutkörperchen), oder eine Erhöhung der Alkalischen Phosphatase und der Cholesterinwerte.

Weitere Untersuchungen von Harn und Blut

Cortisol-Creatinin-Quotient aus dem Harn: Dieser Test ist vor allem zum Ausschluss von Cushing geeignet. Ist das Ergebnis niedrig/normal, kann Cushing ausgeschlossen werden. Ist es erhöht, gibt es neben Cushing noch viele weitere Ursachen für dieses Testergebnis.

Low-Dose-Dexamethason-Test (LDDT): Mithilfe dieses Tests kann Cushing am sichersten diagnostiziert werden. Hierbei wird dem Hund morgens Blut abgenommen und Cortison injiziert. Nach 4 und/oder 8 Stunden wird nochmals Blut abgenommen, und es wird aus beiden bzw. allen drei Proben der jeweilige Cortisolwert bestimmt, um die Reaktion des Körpers auf das injizierte Cortison feststellen zu können.

ACTH-Stimulations-Test: Dieser Test ist im Vergleich um LDDT nicht so zuverlässig bei der Cushing-Diagnosestellung, kann aber eingesetzt werden, wenn die Ergebnisse des LDDT nicht eindeutig sind. (Durchführung siehe Therapiekontrollen)

Wieso so aufwändige Tests durchführen und nicht einfach den Cortisolwert im Blut bestimmen?

Einzelmessungen von Cortisol sind zwar einfach durchzuführen aber leider bei der Cushing-Diagnostik nicht aussagekräftig. Ausgelöst durch den Stress des Tierarztbesuchs kann der Wert auch bei gesunden Hunden vorübergehend über dem Normalbereich liegen.

Bildgebende Verfahren

Ultraschall: Häufige Auffälligkeiten beim Abdomen-Ultraschall bei Cushing sind: Vergrößerungen oder Formveränderungen einer oder beider Nebennieren (hier ist die Unterscheidung von zentralem und peripherem Cushing möglich), und sehr unspezifische Veränderungen wie die Vergrößerung und Texturveränderung der Leber oder auch Texturveränderungen an der Milz.

CT/MRT: Gehört nicht zur Routine-Diagnostik bei Cushing. Mithilfe einer CT-/oder MRTUntersuchung können Tumore in der Hirnanhangsdrüse dargestellt werden. Zusätzlich können beim peripheren Cushing sehr genaue Aussagen über Größe und Art des Wachstums an der Nebenniere getroffen werden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Cushing?

Cushing wird mithilfe von Kapseln mit dem Wirkstoff „Trilostan“ (Handelsname Vetoryl©) behandelt. Diese Kapseln verhindern die Synthese (= den Zusammenbau) von Cortisol und sie funktionieren sowohl bei zentralem als auch bei peripheren Cushing. Gegeben werden sie entweder ein oder zwei Mal täglich, je nach individuell benötigter Dosierung.

Da sie nur die Ausschüttung von Cortisol verhindern und den Tumor selbst nicht angreifen, führen sie zwar nicht zur Heilung, können dem Hund aber eine gute Lebensqualität ermöglichen.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind im Falle eines zentralen Cushings die Bestrahlung des Tumors oder bei peripherem Cushing die operative Entfernung der betroffenen Nebenniere.

Die Bestrahlungstherapie wird vor allem dann angewendet, wenn der Tumor im Gehirn aufgrund seiner Größe bereits neurologische Symptome (z.B.: teilnahmsloses Verhalten, Inappetenz, zielloses Umherwandern, …) verursacht. Ziel der Therapie ist es, den Tumor zu verkleinern und damit die neurologischen Symptome zu vermindern.

Eine gleichzeitige Behandlung mit Vetoryl© ist in den meisten Fällen trotzdem notwendig, da eine komplette Zerstörung des Tumorgewebes (und damit die vollständige Heilung) kaum möglich ist.

Die operative Entfernung der betroffenen Nebenniere ist die einzige Methode, die zur vollständigen Heilung führen kann, dennoch bringt sie einige Risiken mit sich und ist deshalb nicht in jedem Fall sinnvoll.

Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Tumore auf den Nebennieren mit höherer Wahrscheinlichkeit als bösartig einzustufen sind. Das heißt, bevor eine solche Operation infrage kommt, muss mittels CT oder MRT genau abgeklärt werden, ob schon Metastasen vorhanden sind, oder ob der Tumor auch andere Organe oder Blutgefäße (und hier vor allem die große Hohlvene) befallen hat.

Finden sich hierbei keine Hindernisse, so sind vor, während und nach der Operation intensive Überwachung und engmaschige Kontrollen notwendig.

Vetoryl© – Welche Therapiekontrollen sind notwendig?

Bei der Behandlung mit Vetoryl©-Kapseln ist eine genaue Dosierungsanpassung notwendig. Aufgrund der tumorösen Ursache ist es schwierig, genau vorherzusagen, wie viel Wirkstoff pro Tag benötigt wird.

Gestartet wird immer mit einer niedrig gewählten Dosierung und sollte diese nicht ausreichen, wird sie langsam erhöht. Das kann bedeuten, dass mehrere Kontrollen und Dosierungsanpassungen notwendig sind, bis man die passende Dosierung gefunden hat.

Diese Vorgehensweise ist wichtig, da es bei einer Überdosierung zu lebensbedrohlichen Nebenwirkungen kommen kann.

Zur Therapiekontrolle können zwei verschiedene Arten von Tests durchgeführt werden (siehe Box unten). Welcher Test sich bei welchem Hund besser eignet, wird individuell entschieden. Durchgeführt werden diese Tests 10 Tage, 4 Wochen und 12 Wochen nach Therapiebeginn bzw. Dosierungsanpassung.

Hat man die passende Dosierung gefunden, sollten lebenslang ca. alle 4 Monate Blutkontrollen durchgeführt werden, um mögliche Veränderungen frühzeitig erkennen zu können.

Tests zur Therapiekontrolle mit Vetoryl©

ACTH-Stimulationstest: Im Gegensatz zur Diagnosestellung von Cushing spielt dieser Test bei der Therapiekontrolle eine wichtige Rolle. Hierbei wird dem Hund Blut abgenommen und direkt nach der Blutentnahme ACTH injiziert. Nach einer Stunde wird nochmals Blut abgenommen und es werden die Cortisolwerte aus beiden Proben bestimmt, um die Reaktion des Körpers auf das injizierte ACTH festzustellen. Wichtig ist, den Test etwa 4-6 Stunden nach einer Vetoryl©-Gabe durchzuführen.

Prä-Pill-Cortisol: Dieser Test besteht aus einer einzelnen Bestimmung des Cortisolwertes, etwa zu dem Zeitpunkt, an dem die Vetoryl©-Gabe normalerweise stattfindet. Wichtig ist, die Kapsel erst nach der Blutabnahme zu geben, um den höchsten Cortisolwert vor der nächsten Kapselgabe zu messen. Dieser Test eignet sich nicht für die Einstellungsphase, kann aber sehr gut und einfach zur weiteren Therapiekontrolle nach erfolgter Einstellung angewendet werden.

Überdosierung von Vetoryl© – Bei Nebenwirkungen sofort den Tierarzt konsultieren!

Sind nach dem Start mit der Vetoryl©-Therapie oder nach einer Erhöhung der Dosierung Symptome wie:

  • Apathie
  • Schwäche
  • Erbrechen
  • Durchfall

zu bemerken, sollten Sie sich unverzüglich an Ihren Tierarzt wenden und ihrem Hund keinesfalls weitere Vetoryl©- Kapseln verabreichen!

Welche Lebenserwartung und Lebensqualität sind zu erwarten?

Bei Hunden mit zentralem Cushing-Syndrom hängt die mittlere Überlebenszeit sehr stark vom Alter des Hundes zum Zeitpunkt der Diagnose ab. Ältere Hunde leben im Schnitt noch ca. 30 Monate (2,5 Jahre) mit Cushing, während jüngere Hunde deutlich längere (> 4 Jahre) Überlebenszeiten zeigen können. Oftmals versterben die Hunde dann aber nicht an den Folgen des Cushing-Syndroms selbst, sondern an anderen altersbedingten Erkrankungen (z.B. Herz- oder Niereninsuffizienz).

Hunde mit peripherem Cushing-Syndrom hingegen zeigen sehr unterschiedliche Überlebenszeiten. Haben sie das erste Monat nach der Operation gut überstanden und waren zu diesem Zeitpunkt noch keine Metastasen nachweisbar, so sind die Chancen gut, dass die Hunde komplett geheilt sind und keine Beeinträchtigung der Überlebenszeit zu erwarten ist. Sind zum Zeitpunkt der Operation jedoch schon Metastasen nachweisbar, liegt die Überlebenszeit meist bei unter einem Jahr.

Die Lebensqualität von Hunden mit Cushing-Syndrom ist meist nicht eingeschränkt. Oft gestaltet sich die Einstellungsphase in den ersten Monaten aufgrund der vielen Kontrollen zwar mühsam, zahlt sich für die Hunde aber eindeutig aus. Denn sobald die richtige Dosierung gefunden wurde und die Hunde gut eingestellt sind, können sie wieder wie gewohnt an ihrem Umfeld teilhaben.

Einschränkungen sind nur dann zu erwarten, wenn z.B. Metastasen eines Nebennierentumors nachweisbar sind oder es zu neurologischen Symptomen aufgrund der Größe des Tumors in der Hirnanhangsdrüse kommt.

Das Cushing-Syndrom beim Hund ist behandelbar – Fragen Sie Ihren Tierarzt.

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